Österreich, Land der vielen Neu-Traktoren
Während im Jahr 2020 viele Bereiche der österreichischen Wirtschaft von Umsatzeinbrüchen betroffen waren, ist der Absatz von neuen Traktoren in Österreich gestiegen. Der größte Gewinner war Fendt und damit ausgerechnet die Marke mit dem höchsten Preisniveau.
Die vergangenen Jahre waren geprägt von Umstellungen in den Abgasnormen und der Einführung der sogenannten Tractor Mother Regulation, einer EU-weiten neuen Sicherheitsnorm, die bestimmte Fristen für die Erstzulassung von Traktoren brachten und damit zu starken Schwankungen in der Zulassungszahlen führten. Besonders ausschlaggebend war das in den Jahren 2017 und 2018. All das war 2020 nicht der Fall. Die Zahlen sollten also, so gut wie schon lange nicht mehr, den „echten“ Markt darstellen.
Bei einem Zuwachs von knapp 6 % auf 4632 Standardtraktoren und einem Plus von fast 30 % auf 390 Traktoren für den Obst- und Weinbau stellen sich vor allem zwei Fragen: „Warum kaufen Bäuerinnen und Bauern trotz dieser Krisensituation so viele neue Traktoren?“ und „Wie lange bleibt die Nachfrage so hoch, (wann) kommt ein Einbruch?“
Landwirt.com hat im Dezember 2020 seine Nutzer, also Bäuerinnen und Bauern, im deutschsprachigen Raum befragt, wie sie die Stimmung in der Landwirtschaft beurteilen, wie zufrieden sie mit ihrem eigenen Betrieb sind, welche Investitionen sie planen und aus welchen Gründen sie investieren wollen. Die Auswertung der Antworten der 351 Teilnehmer, von denen ca. 70 % aus Österreich und knapp 30 % aus Deutschland kommen, liefert Antworten auf diese Fragen.
Stimmung negativ, Zufriedenheit mit dem eigenen Betrieb ausgeglichen
Die Stimmung in der Landwirtschaft wird in beiden Ländern negativ gesehen und das in allen Produktionsbereichen. Der dazu ausgewertete Index von +/-10 liegt in Österreich bei -2,57 und in Deutschland bei -3,77. Ein weit besseres Bild zeigt sich bei der Zufriedenheit mit dem eigenen Betrieb. Sie liegt mit einem Index von +0,30 in Österreich und -0,27 in Deutschland durchschnittlich im neutralen Bereich. Rund die Hälfte der Bäuerinnen und Bauern sind also zufrieden, die Hälfte ist das nicht. Es zeigt sich auch ein Zusammenhang zwischen der eigenen Zufriedenheit und der Beurteilung der Stimmung. Je zufriedener die Befragten mit dem eigenen Betrieb sind, desto besser beurteilen sie auch die Stimmung in der gesamten Branche.
Ein deutlicher Unterschied in der Einschätzung der Stimmung und der Zufriedenheit wird bei denen, die planen in den kommenden 6 Monaten zu 80 oder 100 % zu investieren sichtbar. Diese Gruppe sieht die Stimmung in etwa bei 0, also ausgeglichen und ist mit dem eigenen Betrieb ebenfalls deutlich zufriedener als der Durchschnitt.
Weiterhin hohe Nachfrage nach Neu-Traktoren zu erwarten
Das Investitionsverhalten wurde in zwei Schritten abgefragt. Zunächst wurde die Frage gestellt, welche Investitionen geplant sind, egal wann sie stattfinden werden und in einem zweiten Schritt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass in den kommenden 6 Monaten eine Neu- und/oder Gebrauchtmaschine gekauft wird.
Bei der Frage nach den als nächstes geplanten Investitionen wird sichtbar, dass bei denen, die auch weiterhin investieren wollen, Traktoren die größte Rolle spielen. Bei 25 % der österreichischen Betriebe ist als nächste Investition ein Traktor vorgesehen.
Jene knapp 20 %, die angeben in den kommenden 6 Monaten in eine Neumaschine zu investieren, kaufen sogar zu rund 45 % einen neuen Traktor. Alle anderen Bereiche liegen deutlich zurück.
Es ist also davon auszugehen, dass die hohe Nachfrage nach Neu-Traktoren anhält und ein signifikanter Marktrückgang jedenfalls nicht in den kommenden 6 Monaten zu erwarten ist.
Ersatz bestehender Maschinen, Erhöhung der Schlagkraft und mehr Arbeitskomfort als wichtigste Gründe
Bei der Frage nach den Gründen für geplante Investitionen stechen drei Antworten besonders hervor: der Ersatz bestehender Maschinen, weil diese alt und/oder abgeschrieben sind, die effizientere Gestaltung von Arbeitsabläufen bzw. die Erhöhung der Schlagkraft und die Erhöhung des Arbeitskomforts. Eine auffallend geringe Rolle spielt die Digitalisierung und so gut wie gar keine Bedeutung haben Sonderaktionen von Herstellern und Händlern. Zweiteres ist möglichweise die Folge davon, dass bei vielen Anbietern eine geregelte Preispolitik verloren gegangen ist und zu einer Art Tagespreis- und Einzelgeschäftspreispolitik übergegangen wurde. Dazu kommt, dass bei vielen derzeit die Covid-Investitionsförderung bis dahin geltende Preis-Aktionen ersetzt hat.
Eine Selektion der Antworten der Teilnehmer, die angeben im nächsten halben Jahr zu 80 oder 100 % in einen neuen Traktor zu investieren zeigt ein deutlich anderes Bild. Der Ersatz bestehender Maschinen bleibt ein starkes Motiv. Mehr Arbeitskomfort und höhere Schlagkraft, treiben die Traktorinvestitionen in Deutschland weitaus stärker als in Österreich. Das ist auch einfach nachzuvollziehen, wenn für 40 % der deutschen Teilnehmer die Vergrößerung des Betriebs ein entscheidendes Motiv ist.
In Österreich führt offensichtlich die derzeitige Fördersituation zu einer anhaltend hohen Nachfrage nach Neu-Traktoren. Der gute Geschäftsverlauf für Hersteller und Händler hat zwar schon vor der Einführung der Covid-Investitionsprämie begonnen, aber die Prämie sorgt anscheinend dafür, dass diese hohe Kauflust auch in den kommenden Monaten erhalten bleiben wird. Auffallend ist auch, dass Neu-Traktorenkäufer im Vergleich zum Durchschnitt doppelt so oft angeben, dass sie die vorhandene Liquidität nutzen wollen und Angst vor Geldentwertung haben. Der Wunsch nach Erhöhung von Schlagkraft und Arbeitskomfort lässt vermuten, dass die steigende Arbeitsbelastung mit größeren Maschinen reduziert werden soll.
Nachdem Neu-Traktorenkäufe in Österreich nur zu einem sehr geringen Teil von Betriebsvergrößerungen und noch weniger von Veränderungen in der Bewirtschaftung ausgelöst werden, darf bezweifelt werden ob diese Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit und vor allem die wirtschaftliche Stabilität der heimischen Betriebe nachhaltig stärken.
Junge und ältere Bäuerinnen und Bauern und Betriebe mit Zukunftsperspektive investieren mehr
Es zeigt sich, dass unter denen, die Investitionen planen, die bis 34-jährigen die größte Altersgruppe darstellen, die zweitstärkste Gruppe sind die 55 – 64-jährigen. Wenig überraschend ist, dass Betriebe, die angeben in der nächsten Generation sehr wahrscheinlich oder sicher weitergeführt werden, mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit investieren als der Durchschnitt. Der Produktionsschwerpunkt der Betriebe hat keine besondere Auswirkung.
Extremes Überangebot an Gebrauchttraktoren zu erwarten
Üblicherweise bringt jeder Neu-Traktorverkauf zumindest einen Gebrauchttraktor für den Händler mit sich. Wenn der Käufer des Gebrauchttraktors auch wieder einen Traktor eintauscht, können das sogar mehrere Gebrauchttraktoren pro neuverkauftem Neu-Traktor sein.
Während von knapp 20 % der Befragten, die in eine Neumaschine investieren wollen, 45 % davon angeben einen Neu-Traktor zu kaufen, sind es lediglich 9 % der Befragten, die im selben Zeitraum Gebrauchtmaschinen kaufen wollen. Dazu kommt, dass diese auch nur 33 % einen gebrauchten Traktor in Betracht ziehen. In Summe ist daher zu erwarten, dass die Nachfrage nach gebrauchten Traktoren etwa halb so hoch sein wird wie die nach neuen. Für österreichische Händler kommt erschwerend hinzu, dass in Deutschland ein ähnlich großes Überangebot an Gebrauchttraktoren zu erwarten ist und das Preisniveau für Gebrauchtmaschinen deutlich unter dem österreichischen liegt. Eine Analyse der Daten der auf Landwirt.com angebotenen Traktoren zeigt bei allen Marken mit Ausnahme von Fendt deutliche Unterschiede zwischen beiden Ländern. Je älter die Traktoren, untersucht wurden Traktoren mit einem Alter von bis zu 20 Jahren und max. 12.000 Betriebsstunden, desto größer sind die Unterschiede.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Wunsch nach höherer Schlagkraft und mehr Komfort bei der Arbeit neben dem oft notwendigen Ersatz von Maschinen in Österreich die stärksten Motive für den Kauf von Neu-Traktoren sind. Die Covid-Investitionsprämie hat dazu geführt, dass die hohe Nachfrage trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage zumindest so lange anhalten wird, solange es diese Förderung gibt.